Ödemkrankheiten

Pathogenese, Differentialdiagnose und Therapie

Zusammenfassung: Ein Ödem ist immer ein Symptom einer Grunderkrankung. Unterschiedliche Ursachen können dabei die kapilläre Filtration in das interstitielle Bindegewebe pathologisch erhöhen oder die venöse Resorption bzw. den Lymphabfluß vermindern, was man durch entsprechende klinische und technische Untersuchungen meistens differenzieren kann. Die Therapie wird im wesentlichen bestimmt vom Eiweißgehalt des Ödems und der Ödemcharakteristik. Diuretika sind nur wirksam bei eiweißarmen Ödemen, welche zur Generalisation neigen. Die "Komplexe physikalische  Entstauungstherapie " (manuelle Lymphdrainage, Kompression, Bewegungsübungen und Hautpflege), dagegen ist indiziert bei eiweißreichen Ödemen und bei nur lokalisiert auftretenden eiweißarmen Ödemen. In seltenen Fällen kommen auch Substitution von Eiweiß, Operationen oder Hormontherapien in Frage.


Pathophysiologie der Ödembildung

Unter physiologischen Bedingungen besteht ein Gleichgewicht zwischen dem Flüssigkeitszufluß zum Interstitium durch Filtration aus den arteriellen Kapillaren und dem Abfluß aus dem Interstitium, welcher in erster Linie durch die lymphatische Drainage, unter bestimmten Umständen auch über die venöse Rückresorption in die venösen Kapillaren gewährleistet ist [1].

Ödeme bilden sich dann, wenn der Zufluß zum interstitiellen Gewebe erhöht oder aber der Abfluß daraus vermindert ist [2]. Ein erhöhter Zufluß findet sich infolge verstärkter Filtration bei Eiweißmangel, erhöhtem Kapillarblutdruck oder erhöhter Kapillarpermeabilität [3]. Eine Abflußverminderung liegt vor, wenn die Lymphdrainage behindert ist. Somit sind all die unterschiedlichen Ödemformen erklärbar durch Veränderung von einem oder mehreren dieser vier Faktoren.

Ödeme können einerseits eiweißarm oder eiweißreich sein und andererseits generalisiert oder lokalisiert auftreten. Die zur Generalisierung neigenden Ödeme sind immer symmetrisch angelegt und beginnen entsprechend der Schwerkraft an den Unterschenkeln und Füßen, bei Bettlägerigen oft auch am Rücken. Lokalisiert auftretende Ödeme können einseitig und beidseitig auftreten. Eiweißarme Ödeme zeigen immer eine tiefe Dellbarkeit, wogegen eiweißreiche Ödeme infolge Eiweiß-Fibrosebildung ihre Dellbarkeit im Laufe der Zeit zunehmend verlieren.

Ödeme vergrößern den Abstand zwischen Blutkapillaren und Körperzellen. Diese verlängerte Diffussionsstrecke bedeutet eine schlechtere Ernährung der Zellen, was zu Zellschädigung bzw. zum Zelltod führen kann. Eine Reduzierung bzw. Beseitigung eines Ödems ist daher notwendig, um Zelluntergänge und somit Gewebsschädigungen zu verhindern.


Diuretika

Therapeutisch sind die Ödeme durch Diuretika behandelbar, bei denen es sich um eiweißarme, grundsätzlich zur Generalisation neigende Ödemformen handelt. Diuretika bewirken eine verminderte renale Rückresorption von Salzen, bes. Natrium, und damit auch von Wasser, so daß es zu einer Entwässerung des gesamten Körpers kommt. Durch Diuretika sind behandelbar renale, hepatogene, kardiale und Eiweißmangelödeme. Die anderen Ödeme sind entweder eiweißreich oder nur lokalisiert auftretende eiweißarme Ödeme. Bei den eiweißreichen Ödemen können Diuretika deswegen nicht wirken, weil sie die Eiweiße nicht aus dem Interstitium entfernen können, so daß Flüssigkeit aufgrund der onkotischen Kraft der Gewebseiweiße aus den Blutgefäßen sofort wieder ins Interstitium zurückströmt. Bei grundsätzlich nur lokalisiert auftretenden eiweißarmen Ödemen -wie dem Phlebödem- kommt es neben der Entstauung im Ödemgebiet auch zu einer Entwässerung des übrigen nicht ödematisierten Organismus, wodurch die bekannten Diuretikanebenwirkungen provoziert werden können wie Wadenkrämpfe, Elektrolytstörungen, Rhythmusstörungen, Erhöhung von Harnsäure, Blutzucker und Blutfetten sowie Hypotonie infolge Hypovolämie des Blutkreislaufes und erhöhtes Thromboserisiko. Diese eiweißreichen und die nur lokalisiert auftretenden eiweißarmen Ödeme können nur mit Therapien behandelt werden, welche so wirken müssen, daß sie den Lymphabfluß verbessern, die Filtration reduzieren und die Reabsorption erhöhen.

Dies ist nach heutigem Wissensstand nur mit der "Komplexen Physikalischen Entstauungstherapie" (KPE) möglich [4], welche aus 4 Komponenten besteht:

•  "Manuelle Lymphdrainage (MLD) " [5]

•  "Ödemgriffen" und

•  "Kompressionsbehandlung"

•  “Hautpflege”


Systematik der Ödeme

Aus lymphologischer Sicht ist eine Einteilung der verschiedenen Ödeme in 3 Gruppen sinnvoll:

  1. In der 1. Gruppe ist die KPE die einzige oder eine ganz wesentliche Therapie.
  2. In der 2. Gruppe kommt die KPE  nur dann zusätzlich symptomatisch zum Einsatz, wenn eine Basistherapie, meist medikamentöser Art, nicht ausreichend wirkt und
  3. in der 3. Gruppe ist die KPE grundsätzlich nicht indiziert.